Wie die Anderen

von | 05.Nov.2017 | Poesie | 0 Kommentare

Ich frage mich ob mein Leben anders verlaufen wäre, wenn ich diese eine Sache anders gemacht hätte. Schon komisch, dass eine einzige Situation oder Entscheidung unser Leben so verändern kann. Ob dies die richtige Entscheidung war sehen wir erst, wenn es zu spät ist und dann müssen wir damit leben. Ob ich die richtige Entscheidung getroffen habe? Ich weiß es nicht. Früher dachte ich, ich hätte es aber jetzt, wo ich damit leben muss, bin ich mir nicht mehr so sicher. Ich hätte damals ganz groß raus kommen können, auf ein Internat gehen und später mit meinem Freund in einem großen Haus leben können, doch ich hatte das alles nicht gewollt. Ich wollte lieber bei meinen Eltern wohnen, bei meinen Freunden bleiben und weiter das tun, was ich wollte. Doch jetzt, jetzt wo ich groß bin wünsche ich mir nichts sehnlicher, als endlich hier raus zu kommen. Raus aus diesem Loch welches sich stolz eine Stadt nennt, eine Stadt, in der der Sport ganz groß geschrieben wird, eine Stadt, die sich selbst fabelhaft nennt, eine Stadt, die unser zu Hause sein soll. Doch in Wirklichkeit ist diese Stadt ein Gefängnis. Ein Gefängnis, in das man hineingeboren wird und in dem man sterben wird. Ein Gefängnis, das nur so tut als sei der Sport an erster Stelle, ein Gefängnis das einmal Jahr auf fabelhaft tut, nur weil das der Leitspruch ist. Ich muss hier raus, sonst werde ich auch so wie die Anderen. Dabei will ich nur mein eigenes Ding durchziehen, ich will aus der Reihe tanzen, will auffallen und auch mal übertreiben können, ohne dass ich gleich sofort mit der Konsequenz rechnen muss. Nach meiner Ausbildung gehe ich hier weg egal wie oder von welchem Geld ich das ganze finanzieren soll. Hauptsache ich bin weg hier und verrecke nicht in dieser Stadt. Wenn ich das erst mal geschafft habe, hält mich nichts mehr auf. Ich suche mir ein Job, in dem ich groß raus komme und wohne mit meinem Freund in einem großen Haus. Doch bis dahin dauert es noch sehr lange. Wer weiß vielleicht bin ich bis dahin auch schon so alt, dass ich nicht das alles nicht mehr haben kann. Ich werde mich wohl daran gewöhnen müssen jeden Tag wieder aufs Neue das Haus meiner Eltern mit dem Wissen, dass ich nie hier raus komme, zu verlassen und jeden Abend wieder durch die Haustür zu gehen und zu denken, dass mir die Decke auf den Kopf fällt und ich irgendwas ändern muss. Aber das tu ich ja doch nicht. Ich ändere einfach nichts daran, obwohl ich immer wieder nach Wohnungen suche, die weit weg von hier sind, aber wie gesagt ich suche nur. Ich rufe nirgendwo an oder besichtige sie. Man könnte fast meinen, dass ich hier gar nicht raus will, das ich diese Stadt, die Sport an erster Stelle setzt, eine Stadt die sich selbst fabelhaft nennt, eine Stadt in der wir zu Hause sein sollen, gar nicht verlassen will. Ja das ich sogar hier wohnen und zu Hause sein will. Vielleicht haben die anderen ja auch recht und ich will wirklich hier bleiben in diesen Gefängnis, denn, auch wenn ich es nicht zu geben will, bietet diese Stadt mir weiterhin ein zu Hause, bis ich wie anderen bin und nicht mehr aus der Reihe tanze, nicht mehr auffalle, nicht mehr übertreibe. Sondern brav jeden Morgen das Haus verlasse und denke: du hättest so vieles haben können. So viel erreichen können aber du hast dich für das Vertraute entschieden. Für das, was du jeden Tag aufs Neue beleidigst weil du es nicht sehen willst, für das was du dein persönliches Gefängnis nennst, für das wo du nur einer von vielen bist und nicht für jemanden die Welt bist weil dieser jemand dich so mag wie du bist.

Jetzt nach so vielen Jahren kann ich sagen: ich bin genau wie die anderen in dieser Stadt, genau so langweilig, genau so einsam weil ich nur einer von vielen bin und nicht für jemanden die Welt. Also sage ich nur eins: ich bin selber schuld daran.

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