Liebesirrtum

von | 14.Sep.2020 | Poesie | 0 Kommentare

 

 

Liebesirrtum

 

Erzogen mit Normierung vom Mittelstand

Hoffte sie auf viel Glück und Erfolg,

War geerdet, ein Mädchen mit klarem Verstand,

Inmitten von Anreizen im Volk.

 

Das Einfache sollte stets höher steigen,

Die Herkünfte dadurch reicher gedeihen,

Das Sehnen sich nur zum Herzen neigen,

Wenn man es konnte ehrlich sich leihen.

 

Das ging gut, solange sie Arbeit hatte,

Mit Erziehungsaufgaben reichlich gesegnet.

Abends sank sie erschöpft auf ihre Matte,

Sah nicht mehr, ob es sonnig, oder ob’s regnet.

 

Deshalb macht’ sie zuerst auch alles mit,

Aufwärts ging es mit Garten und Haus,

Kinder kamen, es war ihr großer Hit

Des Erfolgs, den trug sie hinaus.

 

Doch als die Kinder dann ausgeflogen

Und sie endlich im Ruhestand weilte,

War sie auch ihren Aufgaben entzogen

Und der Durchhänger sie hart ereilte.

 

Was tun, wenn niemand mehr etwas will,

Das Alter nur noch die Jahre erfasst

Und man flehend sucht nach einem Ziel,

Das wieder zum späten Leben passt?

 

Niemand nahm jetzt mehr Notiz von ihr,

Der Mann alterte rascher als sie.

Für das Leben verlor sie viel Gespür,

Die Beziehung wurde Konfliktmanie.

 

Es klopfte, arbeitete in ihr gar sehr,

Wogegen sie sich nicht wehren konnte.

Der Ehemann lief treu hinter ihr her

Und freute sich, wenn sie sich sonnte.

 

Sie fühlte sich mehr und mehr eingesperrt,

Das verstärkt’ auch die Pandemie.

In der Ehe sah sie jetzt keinen Wert,

Vielleicht war sie ja glücklich nie…

 

Immer hat sie sich nach einem Adonis gesehnt,

Nach dem schlanken, gehorsamen Mann.

An den hätte sie gern ihr Köpfchen gelehnt

Wär’ spaziert mit ihm hin zum Tann.

 

So aber lebte sie mit dem Alten,

Der nicht von ihr lassen konnte.

Doch glaubte sie immer noch fest zu halten,

Was einst ihre Sehnsucht besonnte.

 

Das Leben lief weiter, ihr ging’s nicht schlecht,

Gesichert im Wohlstand zu sein.

Das war ihr so schon irgendwie recht,

Doch sie blieb mit sich sehr allein.

 

So lebte sie ihre Ruhestandsjahre,

Immer hoffend und doch wenig geneigt,

Sich jetzt schon legen auf die Bahre,

Weil die Sehnsucht zum Leben steigt.

 

Immer hoffte sie, dass ihr Prinz noch käme,

Den sie sich früh erhofft schon hatte,

Doch das Schicksal treibt manchmal seine Häme,

So blieb ihr halt nur dieser liebende Gatte.

 

Sie las weiter ihre Frauenzeitschriften,

Färbte Haare, die Fuß- und die Fingernägel,

Schminkte sich und ließ sich heimlich liften

Und lebte dem End’ zu auf flachem Pegel…

 

 

©Hans Hartmut Karg

2020

 

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