Bertha
Wer kennt bei uns schon jene Bertha,
Die einstmals des Kaisers Gattin?
Wer weiß, dass sie Italien nah,
Hatte dafür Gespür und Sinn.
Niemand kennt sie bei uns hier mehr,
Die Zeit ist längst vergangen,
Als es die Krone hatte schwer,
Noch Einfluss zu erlangen.
Als Ehefrau Heinrichs des Vierten,
Canossa-Heinrich auch genannt,
Zog sie mit dem Kaisergekürten
In unser großes Sehnsuchtsland.
Die Städte in Italiens Norden
Waren ihr herzlich zugetan.
Reichtümer konnten auch horten,
Ihr Mann kurbelt’ den Handel an.
Den Menschen dort ging’s gar nicht gut,
Stadtbürger hatten auch zu kämpfen.
Doch Bertha schuf den neuen Mut,
Um Armut dort zu dämpfen.
Beide war’n sie südwärts gezogen
Und es begegnete bei Montegrotto
Ein Mädchen ihr, nett angezogen,
Doch bettelarm als pars pro toto.
Ein Wollknäuel schenkte das Mädchen
Der Bertha und die ward so gerührt,
Dass sie zog in das Padua-Städtchen,
Wo ihnentiefe Huld gebührt’.
Zum Mädchen schickt’ die Königin
Den Boten, der es holen sollte,
Denn Bertha hatte hohen Sinn,
Weil sie um Menschenarmut wusste.
Als nun das Mädchen vor ihr stand,
Gab sie das Knäuel ihr zurück,
Lächelte sie an selig verwandt
Und sah sie an mit warmem Blick:
„So lange wie jetzt ausgerollt
Der Wollfaden am Boden liegt,
So viel an Land, das schenk’ ich hold,
Womit die Armut wird besiegt.“
So kam das Kind zu Königsland
Und war auf einmal nicht mehr arm,
Weil Bertha mit der Gönnerhand
Sich diesem armen Kind erbarm’.
Seit dieser Zeit wird hoch verehrt
Die Bertha in dem Thermenland.
Weil sie die Armut abgewehrt,
Ist sie bis heute dort bekannt.
©Hans Hartmut Karg
2020
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