Der Kommende, um zu zerstören

von | 10.Sep..2025 | Poesie | 0 Kommentare

Ich gehe oft auf diesem schönen, neuen, breiten, schwarzen Radweg.
Vielleicht mehrmals
in der Woche.
Doch bald werde ich aufhören, auf ihm zu gehen.

Ihr fahrt und geht an mir vorbei,
ich lächle immer und grüße euch.
Manchmal bemerkt ihr mich nicht und rauscht vorbei wie an einem Gespenst.
Doch öfter…
schaut ihr, als wollte ich euch euer Vaterland rauben;
euch euren breiten, schönen, neuen, schwarzen Radweg mit meinen Schritten aneignen.

Ihr schaut, als wollte ich euch eure schönen, schlanken, starken Beine nehmen.
Und wenn ihr mich von hinten überholt, fangt ihr an, noch schneller zu fahren.
Ihr schaut so, als wollte ich euch eure wunderbare Sprache nehmen, euren Mund – und ihr presst die Lippen zusammen.
Ihr schaut mich an, als wollte ich eure schönen blauen Berge zerstören
und die schwarzgrünen Wälder verbrennen.

Seht ihr denn nicht,
dass ich eure Spucke wie Perlen auf dem schwarzen Asphalt sammle?
Schade, dass ich nicht wahrsagen kann aus den Rissen im Asphalt wie Joseph;
ich würde so gern in diesen Pfützen die Zukunft sehen –
und darin euch, und mich…

Doch ihr schaut so verurteilend…
als wären plötzlich alle Blätter gelb geworden und gefallen – meinetwegen.
Meinetwegen hätten die wunderbaren Farne im Wald zu welken begonnen, sie gleichen nun braunem Draht.

Aber ich fange jedes eurer Worte auf, bis die Haut an meinen Ohren reißt.
Ich fange jedes Molekül eures Geruchs, wenn ihr an mir vorbeirauscht.
Meine Kräfte reichen kaum, um aufrecht zu stehen, meine Kleider sind verblichen, und eure dröhnende Stimme schlägt wie ein Hammer auf meinen Kopf.

Ihr schaut verurteilend –
doch meine Schwäche ist die Liebe zu euch.
Vielleicht fragt ihr mich irgendwann,
und dann könnte ich euch antworten.

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