Der Vogelflüchtling

von | 10.Mai.2021 | Poesie | 0 Kommentare

 

 

Der Vogelflüchtling

 

Es raschelt, als wäre ‘ne Maus

Ins Schlafzimmer gedrungen,

Besiedelt nun das schöne Haus –

Gastgeberschaft erzwungen!

 

Weil neugierig ich immer bin,

Seh’ ich bei Zimmerpflanzen

Bewegtes und geh’ näher hin,

Wo leicht die Blätter tanzen.

 

Da seh’ ich ihn, ganz klein und still,

Den Vogel in der Ecke kauern.

Mich überkommt ein Freundgefühl,

Wo zitternd er muss lauern.

 

Als ich dem Kleinen näher bin,

Fliegt er hinein ins Zimmer,

Flattert ganz wild und ohne Sinn,

Denn seine Angst wird schlimmer.

 

Wenn einer klein, ein anderer groß

Und man nicht weiß, was kommen wird,

Entsteht daraus ein Schreckenslos:

Kommt die Bedrohung, die man spürt?

 

Mich dauert sehr das kleine Wesen,

Das nun ja nicht mehr ruhen kann,

Nichts wird in meinen Augen lesen –

Und nirgendwo freie Fluchtbahn!

 

Da räum’ ich Blumen rasch beiseite,

Das große Fenster ist gleich offen.

Dem Kleinen tu’ ich nichts zuleide,

So darf er selbst auf Rettung hoffen.

 

Noch sitzt er ruhig, rührt sich nicht

Oben auf unserem Kleiderschrank.

Doch dann sieht er der Sonne Licht,

Fliegt in den Garten – Gottseidank!

 

 

©Hans Hartmut Karg

2021

 

*

Rate this post

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Share This