Die gottverdammte Tretmühle

von | 16.Dez.2021 | Poesie | 3 Kommentare

 

Als meine Frau starb, beschloss ich nie wieder zu arbeiten.

Ich war vierzehn Monate krank und dann kündigte ich,

obwohl ich eigentlich selbst praktisch unkündbar war 

und meldete mich arbeitslos.

 

Ich war 43 Jahre in der gottverdammten Tretmühle drin gewesen,

hatte jeden Tag Überstunden geschoben 

und meinen Chef für einen feuchten Händedruck am Arsch gelegt.

 

Ich ließ mich von meiner Frau lange beknien,

für einem gemeinsam verlebten Urlaub,

denn in der Firma musste doch so vieles noch erledigt werden.

Ich vertröstete Sie auf die Rente und was wir dann noch alles tun könnten.

Ich war vollkommen meschugge und hirnverbrannt und

wusste nicht, dass ich von Kindesbeinen an im Netz des Systems zappelte.

 

Meine Alten hatten mich systemkonform erzogen.

Ich wollte funktionieren und wenn nicht, dann litt ich.

Jetzt war meine Frau tot und ich hatte keine Zeitmaschine, um alles besser zu machen.

Sie geben dir nichts, nur gerade so viel,

um nicht zu resignieren oder

zu verrecken.

 

Wenn ich die Absicht hätte, noch einmal leben zu wollen,

würde ich von vorneherein als Penner, Aussteiger oder

Bettelmönch an die Sache rangehen.

 

 

 

 

 

 

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3 Kommentare

  1. Stephan Wannovius

    Sehr bitter! Ja, Undank ist der Welt Lohn – besonders der Arbeitswelt!

    Antworten
      • Stephan Wannovius

        Noch eines: Das Leben ist bitter – machen wir dennoch das Beste daraus, indem wir selbst nicht noch mehr verbittern! Gilt auch für mich!

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