Unscheinbar
eine Herberge
an der Straßenecke
weinroter Backstein
wenige Schritte
entfernt
vom Bahnhof
im Glaskasten
eine polnische Prinzessin
die davon träumt
ach
wovon träumt sie
die rotkarierte Wolldecke
um die Hüfte geschlungen
die Augen von Seelendunkel
umrahmt
so sitzt sie da
blaß
traurig
lächelt nicht
zeigt stumm die Preisliste
ein abgegriffenes Blatt Papier
vergilbt
wie die bilderlosen Wände im Zimmer
die Vorhänge
hängen in fliehenden Fetzen herab
das Bett
klein schmal niedrig
Bett Stuhl Schrank Tisch
das ist alles
dessen die beiden müden Reisenden bedürfen
beladen
von ruhmloser Vergangenheit
wohin reisen sie
ach wohin
schlaflos
blickt ihnen
die junge Prinzessin im Glaskasten nach
sie kommen
sie gehen
ach woher
ach wohin
dahin dahin dahin
die Nacht
ist finster und schwarz
Regen pocht gegen das Fensterglas
und im schmalen Bett
zwei verlorene Seelen
die heimatlos Heimat gefunden haben
in der Fremde
eng umschlungen
sind ihre Körper
eins
und ihr Atem geht leis
diese Nacht
geht leis
zur Prinzessin unten im Glaskasten
die wartet
voller Sehnsucht
diese einsame lange Nacht
auf einen neuen Morgen
auf ein anderes Leben
ach woher
ach wohin
dahin dahin dahin
Autoren: Tina Pilat, Ulrich Liedholz
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