Einzelkind
Immer musst’ er im Mittelpunkte stehen.
Er konnte es niemals ertragen,
Wenn Menschen auf den Nachbarn sehen,
Sich von ihm zu entfernen wagen.
Gespräche galt es stets an sich zu reißen,
Nicht moderierend, dafür besitzergreifend.
Mitunter konnte manches dann entgleisen,
Rede nicht zu tiefer Kenntnis reifen.
So hatte man ihn ja sozialisiert:
Ein Einzelkind der Eltern, oft allein,
Hatte glanzvoll ihn hin zum Thron geführt,
Denn immer sollte er ihr Glanzstück sein!
Der Vorname beim Taufbecken, er diente
Ausschließlich ihrem Wunsche nach Karriere,
Wodurch bereits man Wege stark verminte,
Damit sich Macht und Einfluss mehre.
Als Einzelkind zwar intelligent, doch intrigant
Gelangt’ er schließlich in die höchsten Ämter,
War da gefürchtet, von den Oberen sehr anerkannt,
In Wahrheit jedoch lebenslang Gemütsgelähmter.
Denn wie sollt’ bei ihm eine Seele reifen,
Wenn er mit Ehrgeiz zugemauert blieb?
Nöte der Nächsten konnt’ er nicht begreifen,
Verlachte nur, was an Trauer so trieb.
Im Mittelpunkte stand er ja schon immer,
Ein Einzelner – nur in Erwachsenenkreisen!
Selbstherrlichkeit wurde dort schlimmer,
Wo Schwachstellen er konnt’ nachweisen.
Die Hofschranzen umtanzten ihren Stern,
Konnten Beziehungen zerbrechen, auch verkleistern.
Er selbst hatte in Wirklichkeit nur jene gern,
Die sich so ganz und gar für ihn begeistern.
©Hans Hartmut Karg
2021
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