Nachts steht sie an der Strasse. Ich gehe da, hin und
wieder, vorbei. Ich kenne Sie. Ich weiß, wie sie lebt.
Ich weiß, wie sie denkt. Ich weiß, wie sie über ihre
Familie redet. Ich weiß, sie hat Kinder. Ich weiß,
wie sehr Sie diese Kinder liebt. Ich weiß, wie sehr Sie
nach Arbeit sucht. Ich weiß, wie Sie alles machen
würde: „Putzen! Kochen! Bügeln! Büros reinigen!“
Alles, was sich da anbietet. Aber es gibt nichts. Und
ich denke mir: „Sie hat verloren! Und die Welt hat
verloren! Und jeder Mensch hat verloren!“ Es ist
Krieg!
Nachts steht sie an der Strasse. Hin und wieder, rede
ich mit Ihr. Sie erzählt dann: „Von Firmen, wo
sie gearbeitet hat! Die aber Pleite gegangen sind!“
Von Familen, wo Sie gearbeitet hat: „Wo aber kein
Geld mehr da ist!“ Von Tagen, wo sie durch die Strassen
läuft. Menschen nach Arbeit fragt. Von Tagen, wo sie
Anzeigen in Supermärkten anbringt. Und, wo sie alles
probiert um Arbeit zu finden. Und ich denke mir: „Etwas
läuft falsch! Sie steht am Abgrund! Die Welt steht am
Abgrund! Jeder Mensch steht am Abgrund!“ Es ist
Krieg!
Nachts steht sie an der Strasse. Und, diese Frau bringt
mich zum Grübeln. Dieses Leben: „Wie ich sie kennen
gelernt habe! Wie sie richtige Arbeit hatte! Und immer
gelächelt hat!“ Wie sie kleine Geschenke kaufen konnte:
„Für Kinder und Freunde!“ Und wie beliebt sie war.
Aber etwas ist falsch gelaufen: „Firmen sind ins Ausland
gegangen! Reiche zahlen keine Steuern mehr! Und die
Politik ist blind!“ Und ich denke mir: „Das ist alles ohne
Sinn! Damit stirbt Sie! Damit stirbt die Welt! Damit
sterben alle Menschen!“ Es ist Krieg!
(C)Klaus Lutz
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