Los lassen

von | 13.Okt.2014 | Poesie

Los lassen, ohne den Halt zu verlieren

Ich bin mit meinen Hunden unterwegs, hänge so meinen Gedanken nach. Oft genug. Und genau so oft rede ich mit meiner Mama, die bereits verstorben ist, oder mit Papa, oder mit meiner Freundin. Alle sind schon tot. Alle könnten noch da sein. Bei mir. Wenn….Ja, wenn…..Warum mussten ausgerechnet sie diese Krankheit bekommen, die sie sterben ließ? Warum konnte ich mich nicht verabschieden? Als sie starben, war ich nicht bei ihnen. Haben sie mich denn gebraucht? Was machen sie jetzt. Sehen sie herab und verurteilen mich? Bestimmt, denn sie hätten es sicher erwartet, dass ich bei ihnen gewesen wäre, in der letzten Minute ihres Erdendaseins.
Oft, zu oft, beschäftige ich mich damit.

Manchmal denke ich auch an die Zeit, als ich Kind war. Wie ich heran wuchs, zur Frau. Meine erste Liebe, was macht sie. Würde sie mich wieder erkennen, wenn ich vor ihr stünde? Oder ich, würde ich sie wieder erkennen? Würde der Kuss noch genau so schmecken wie damals? Würde mein Herz noch genau so laut schlagen?

Ich werfe ein Stöckchen. Meine Hunde laufen los, einer schnappt sich den Stock. Der andere will ihn auch. Beide halten fest und knurren, jeder hat seine Zähne fest in den Stock gerammt und keiner ist gewillt, aufzugeben. Loszulassen. Wie würde er da stehen? Als Verlierer. Der andere könnte ihn nicht mehr anerkennen wenn er aufgibt.

Plötzlich sind meine Gedanken bei der Sache. Ich sehe meine Hunde und denke: So, wie diese zwei sich in den Stock verbeissen, so verbeisse ich mich in die Vergangenheit. In das, was mal war, was gar nicht mehr existiert. Und ich will nicht los lassen. Warum auch? Wenn ich los lasse, dann verliere ich. Im Schlimmsten Fall den Halt. Das, was mich bisher gehalten hat. Was soll ich machen ohne all das Gewesene?? Es gehört zu mir. Ich wäre ein halber Mensch, oder vielleicht gar keiner mehr?

Ist das wirklich so? Ist nicht das, was meine Vergangenheit ist, das, was mich zu diesem Menschen gemacht hat? Ist nicht die Liebe, die ich einst für diesen jungen Mann verspürte, die Liebe, die mich erst das Lieben gelehrt hat? Ohne sie, könnte ich vielleicht gar niemanden lieben. Und meine Eltern? Sind sie nicht maßgeblich die Menschen, die mich gezeugt, geboren und geprägt haben? Ohne sie wäre ich nicht, ich wäre Nichts. Meine Freundinnen, die mich Akzeptanz und Streiten gelehrt haben.

Sie sind gegangen, aus meiner Welt. Doch ihnen verdanke ich, was ich bin. Wenn ich los lasse, bin ich dann noch die Selbe?

Ich gehe zu meinen Hunden und gebe ihnen einen Befehl: AUS! Beide lassen auf mein Kommando den Stock fallen und schauen mich erwartungsvoll an. Sie wissen genau, dass nun etwas anderes folgt. Und sie bekommen ein Leckerli. Freudig schmatzend und mit wedelnder Rute trotten sie neben mir her. Und ich weiß, wenn ich los lasse, bekomme ich ein Leckerli. Ganz bestimmt.
Imi Inge Millich
26.09.14

Foto: Los lassen, ohne den Halt zu verlieren Ich bin mit meinen Hunden unterwegs, hänge so meinen Gedanken nach. Oft genug. Und genau so oft rede ich mit meiner Mama, die bereits verstorben ist, oder mit Papa, oder mit meiner Freundin. Alle sind schon tot. Alle könnten noch da sein. Bei mir. Wenn….Ja, wenn…..Warum mussten ausgerechnet sie diese Krankheit bekommen, die sie sterben ließ? Warum konnte ich mich nicht verabschieden? Als sie starben, war ich nicht bei ihnen. Haben sie mich denn gebraucht? Was machen sie jetzt. Sehen sie herab und verurteilen mich? Bestimmt, denn sie hätten es sicher erwartet, dass ich bei ihnen gewesen wäre, in der letzten Minute ihres Erdendaseins. Oft, zu oft, beschäftige ich mich damit. Manchmal denke ich auch an die Zeit, als ich Kind war. Wie ich heran wuchs, zur Frau. Meine erste Liebe, was macht sie. Würde sie mich wieder erkennen, wenn ich vor ihr stünde? Oder ich, würde ich sie wieder erkennen? Würde der Kuss noch genau so schmecken wie damals? Würde mein Herz noch genau so laut schlagen? Ich werfe ein Stöckchen. Meine Hunde laufen los, einer schnappt sich den Stock. Der andere will ihn auch. Beide halten fest und knurren, jeder hat seine Zähne fest in den Stock gerammt und keiner ist gewillt, aufzugeben. Loszulassen. Wie würde er da stehen? Als Verlierer. Der andere könnte ihn nicht mehr anerkennen wenn er aufgibt. Plötzlich sind meine Gedanken bei der Sache. Ich sehe meine Hunde und denke: So, wie diese zwei sich in den Stock verbeissen, so verbeisse ich mich in die Vergangenheit. In das, was mal war, was gar nicht mehr existiert. Und ich will nicht los lassen. Warum auch? Wenn ich los lasse, dann verliere ich. Im Schlimmsten Fall den Halt. Das, was mich bisher gehalten hat. Was soll ich machen ohne all das Gewesene?? Es gehört zu mir. Ich wäre ein halber Mensch, oder vielleicht gar keiner mehr? Ist das wirklich so? Ist nicht das, was meine Vergangenheit ist, das, was mich zu diesem Menschen gemacht hat? Ist nicht die Liebe, die ich einst für diesen jungen Mann verspürte, die Liebe, die mich erst das Lieben gelehrt hat? Ohne sie, könnte ich vielleicht gar niemanden lieben. Und meine Eltern? Sind sie nicht maßgeblich die Menschen, die mich gezeugt, geboren und geprägt haben? Ohne sie wäre ich nicht, ich wäre Nichts. Meine Freundinnen, die mich Akzeptanz und Streiten gelehrt haben. Sie sind gegangen, aus meiner Welt. Doch ihnen verdanke ich, was ich bin. Wenn ich los lasse, bin ich dann noch die Selbe? Ich gehe zu meinen Hunden und gebe ihnen einen Befehl: AUS! Beide lassen auf mein Kommando den Stock fallen und schauen mich erwartungsvoll an. Sie wissen genau, dass nun etwas anderes folgt. Und sie bekommen ein Leckerli. Freudig schmatzend und mit wedelnder Rute trotten sie neben mir her. Und ich weiß, wenn ich los lasse, bekomme ich ein Leckerli. Ganz bestimmt.

Imi Inge Millich 26.09.14

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