Ostern meiner Kindheit
Bei uns gibt es heute fast alles hier,
Ostereier in Massen und in Schokolade.
Scheinbar gehört das jetzt alles mir:
Ostern – eine wahre Zuckerbrigade!
In meiner Kindheit gab es nichts
Außer die wenigen, selbst gefärbten Eier.
Am Ostersonntag und angesichts
Des Kirchgangs war das kaum eine Feier.
Der Karfreitag war noch der wichtigste Tag
Das Leiden Christi erfüllte den Glauben
Man betete, sah, wie Jesus voller Plag’,
Soldaten seine Kleider konnten rauben.
Arm waren die Menschen damals noch,
Beheizt immer nur ein einziger Raum.
Jeder trug geduldig sein Lebensjoch,
Doch man spürte diese Armut kaum.
Freundlich waren wir uns alle zugetan,
Es gab noch nicht die Konkurrenz,
Mit der heute im Wettbewerbswahn
So viele stehlen den Osterlenz.
Der Osterspaziergang war obligatorisch,
Es war fast immer sehr hell und kalt
Und der Wind blies noch notorisch
Übers Land und her vom Wald.
Das Auffinden der Eier war wie ein Tanz,
Dann ging’s zurück ins warme Wohnzimmer,
Wo schön aufgetischt schon der Osterkranz
Auf die Esser wartete – wie immer.
Dort sah ich auch das übergroße Bildnis:
Jesus stillte die Wogen, den Sturm,
Stand auf dem Wasser und bannte die Wildnis,
Denn der Glaube war Festung und Turm.
Wir Kinder durften Kamillentee trinken,
Den Oma im Vorjahr gesammelt hatte
Und konnten in Sofas gemütliche Polster sinken,
Denn das war uns Kindern ja heute gestattet.
Abends wurde das Osterstückchen zubereitet,
Ein geräucherter Schinken, gebacken in Brotteig.
Da waren unsere Kinderaugen geweitet,
Es roch köstlich nach Hefe und Sauerteig.
Das Aroma verband sich mit jenem Duft
Des in den Teig ausgetretenen Fetts.
Leislachen, Genussfreude erfüllte die Luft,
Es gab weder Streit, noch Gehetz.
Diese Gaben ließen wir uns gerne munden,
Denn es war so gut, das Schnabulieren.
So genoss auch das Schlundhaus die Osterstunden,
Ließ den Glauben zur Auferstehung hinführen.
©Hans Hartmut Karg
2022
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