ÜBER EINE TOXISCHE TOCHTER-VATER-BEZIEHUNG
Ich bin tot
Obwohl ich noch lebe
Ich bin tot
Schon lange
Ich bin tot
Für meine einzige Tochter
Ich bin tot
Denn für sie bin ich gestorben
Sie liess mich
aus Enttäuschung,
aus Hass,
aus Verachtung
sterben
Gibt es einen guten Grund?
Den gibt es
vermutlich nicht
Sie hatte einige Zeit
ihren Vater
als reichen Erbonkel betrachtet
Sie hatte ihn deshalb
ein- bis zweimal im Jahr aufgesucht
Doch als sie hatte erfahren,
dass er reich nicht ist,
wusste sie sich diese Pflichtbesuche
zu ersparen
Maria Midori liess
ihr kaltes Herz ehrlich sprechen
Sie konnte endgültig
mit dem alten Mann brechen
Vielleicht, vielleicht wird es geschehen,
dass ihr Hass, ihre Verachtung
in Gleichgültigkeit übergehen
So oder so –
sehen, sehen will sie
ihren recht bescheidenen Vater
vor dessen wirklichem Tode nicht
Und zu dieser Haltung
vermag sie stolz zu stehen
Stephan Wannovius, 27.12.22
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