Zum hundertsten Geburtstag meiner Mutter
Wäre sie doch nur so alt geworden,
Wie hätten wir mit ihr gefeiert und gelacht:
Alle wär’n gekommen, aus dem Süden und dem Norden,
Hätten da erneut gespürt, wie sorgenvoll sie wacht.
Wie lange hat sie vorher schon gekämpft,
Die immer so gern in der Sonne saß.
Die letzten Jahre hatten ihren Lebensmut gedämpft,
Mit Schmerzen sie nachts auf dem Bette saß.
Der Krebs trieb ihr die Lebensfreude aus,
Morphium warf sie in Angstträume.
Da verließ sie schon nicht mehr das Haus,
Halluzinierte sich in ferne Räume.
Schutzgebend, so versorgte uns die Mutter,
Auch wenn nicht jeder das so sah,
Kam zu uns, gab uns Brot und Butter,
War auch immer für die vielen Sorgen da.
Sie hielt die Ängste von uns fern,
Sah auf die Welt kritisch wie auf das Leben.
Dafür hatte ich sie herzlich gern,
Sie wollte nichts nehmen, eher geben.
Doch sie nahm von uns so manche Schwere,
Wenn wir als Kinder nicht mehr weiter wussten,
Holte uns tröstend aus mancher Tagesleere,
Gab bei Grippe etwas gegen tiefen Husten.
Nun ist sie schon leider lange fort,
Immer noch kann ich es gar nicht fassen.
Von daher wünsche ich ihr Paradieses Hort,
Die doch keinen Sommer wollt’ verlassen.
Wäre sie doch hundert Jahre nur geworden,
Wie hätten wir mit ihr gefeiert und gelacht,
Alle wär’n gekommen, aus dem Süden und dem Norden,
Die Gespräche und ihr Kuchen waren eine helle Pracht.
©Hans Hartmut Karg
2022
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