Fünfundsiebzig Jahre Leben

von | 20.Jan.2022 | Poesie | 1 Kommentar

 

 

Fünfundsiebzig Jahre Leben

 

Jetzt sind sie mir doch noch geschenkt

Die fünfundsiebzig Jahre Leben:

Das Schicksal hat noch eingelenkt,

Der Herrgott hat’s mir mitgegeben.

 

Von Anfang an ward ich getragen

Hatte eine Wunderkindheit,

Wo am Flusse wir sommers lagen,

Satt, in vollkommener Freiheit.

 

Natürlich ward ich vom Tisch gefallen,

Knapp beim Autounfall dem Tod entgangen,

Umschiffte später Klippen und Fallen,

Hatte auf das Leben dennoch heißes Verlangen.

 

Die Eltern, Onkel, Tanten mochten mich sehr,

Früh entdeckte ich das Lesen und Schreiben:

Wo großelterngetragen Liebe ward mehr,

Durften Augen sich neugierig reiben.

 

Hinzu kam später die Wunderfrau,

Die in all den Jahren mir zugetan

Vier Kinder gebar, denn sie wusste genau,

Was zu tun war – und sie hat es getan!

 

Sie förderte sehr unsere Vier,

So dass sie es sehr weit brachten.

Das gab auch Halt, viel Freude mir,

Wenn wir unkten, miteinander lachten.

 

Sechzehn Enkel wurden uns geschenkt,

Die nun über die ganze Welt verstreut

Als Zierde zur Globalisierung gelenkt,

Was unsere Seelen bis heute erfreut.

 

Des Menschen Herz erdenkt sich Wege,

Doch der Herr allein gibt, dass er fortgehe

Und selber sucht sich Straßen und Belege,

Mit denen er auch zum Glücke stehe.

 

Doch ward der Schulweg mir überhart,

Denn ich kam schließlich von ganz unten.

Karl May, Lexika brachten die Bildung in Fahrt,

Bald zählte ich zu der Bibliotheken Kunden.

 

In der Kleinstadt, in der man mich immer liebte,

Konnte Freundschaften ich reichlich knüpfen.

Da gab’s Gespräche, auch erste Verliebte,

Mit Ringen sah man noch Mädchen hüpfen.

 

Das Erststudium bracht’ mich nach Augsburg,

Die Römerstadt öffnete mir die Welt,

Entdeckte ich dort doch den Demiurg,

War auf Musik und Lernen eingestellt.

 

Und Philosophie weitete mir die Sinne,

Erziehungswissenschaft begeisterte,

Wo im Sanderheim ich das Sozialdenken erlernte,

Mit dem Studienfreund manches Sinnen entkleisterte.

 

Bei Technikstudenten in der Geisteswelt

Entdeckte ich europäische Antipoden,

Ward neugierig auf Neues gestellt,

Im Stadttheater hörte Musik ich nach Noten.

 

Und das Lehramt – ja, es genügte mir nicht,

Bald ging ich deshalb zu Friedrich Alexander.

Da hatte das Denken ein noch tieferes Gewicht,

Man lernte dort einzeln – und auch miteinander.

 

Wissenschaft und Politik ließen mich nicht mehr los

Und auch die Geschichte interessierte mich brennend.

So stellten wir bald die Ideologien und Spinner bloß,

Waren niemals hinter Schlimmem herrennend.

 

Denn die Freiheit, den Frieden braucht diese Welt,

Um tatsächlich ihre Probleme zu lösen.

Wo Menschen mit Ideologien zugestellt,

Da wird man fast alle Lösungen verdösen.

 

So habe ich die Jugend gerne gefördert,

Als Schulleiter Demokratie weiterentwickelt,

Mit Freunden unsere Zukunft erörtert

Und manches Neue hinzugestückelt.

 

Der Personalmentalismus wurde mein eigenes Kind,

Brachte mir George Berkeley, Martin Buber ganz nah.

Doch erst Kant stellte mir vor den klaren Wind,

Weil die Selbstverschuldung ich jetzt mit ihm sah.

 

Umweltzerstörung, Klimanöte und Pandemie

Zeigten mir, dass wir selbst alles vernichten:

Wo der Mensch nicht prüft sein gutes Genie,

Wird dieses sich gegen das Leben richten.

 

Dabei hat die Kultur so schön angefangen

Mit Italiens Künsten und Bildgestaltung.

Griechenland, das Christentum begrenzte das Verlangen

Und brachte uns immer wieder in sittliche Haltung,

 

Mit der man unbändige Kräfte zähmen konnte,

Denn nicht alles ist erlaubt, was auch gewollt:

Wo das Ethische das Daimonion bewohnte,

Da konnte man wissen, was wirklich gesollt.

 

Bach, Mozart begleiteten als Seelenmantel

Meinen Geist, die Violine schwang mit.

Und obwohl die Welt im Dauerwandel,

Wurde mir Petrarcas Laura herrlicher Kitt,

 

Welcher die Liebe stets aufs Neue entfacht,

Das Ewig-Weibliche mich immerzu trug

Und mir dazu des Schicksals Sonne lacht,

Der Süden mir blieb – und der Krug!

 

So konnte ich tatsächlich dreißig Bücher schreiben,

Dazu mehr als dreihundert Fachbeiträge –

Recht viel für einen Menschen, der bequem wollte bleiben,

Manchmal sogar apathisch und träge.

 

Doch dann flammte wieder das Barocke in mir auf,

Die Lebenslust durfte alle Zweifel besiegen

Und stärkte mich so in weiterem Lebenslauf,

Denn auch Musen konnten mich ständig wiegen.

 

Und so habe ich sechstausend Gedichte geschrieben,

Schreibe weiter – bis auf den heutigen Tag,

Denn Wortneugier ist mir auch im Alter geblieben,

Weil die Poesie mich allzeit zu küssen vermag.

 

Das ist ein Vergnügen, eine große Gnade,

Mit Fünfungsiebzig noch Reime zu schmieden,

Vielleicht ein Geschenk aus der Bundeslade,

Um das ich den Schöpfer will gerne bitten.

 

 

 

©Hans Hartmut Karg

2022

 

*

Rate this post

1 Kommentar

  1. Ralf M. de Pénnet

    Lieber Hans Hartmut –

    Viel idiotischer als du hier schreibst ist nicht mehr möglich.

    Liebe Grüße
    Ralf M. de Pénnet

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Share This