Er glaubte zu lieben

von | 28.Aug.2022 | Poesie | 0 Kommentare

 

 

Er glaubte zu lieben

 

Als sie sich das erste Mal wirklich sahen,

War es für ihn Liebe auf den ersten Blick.

Sie ließ ihn lange nicht richtig nahen,

Vielleicht hatte er auch zu wenig Geschick.

 

Doch er, der Mann, er ließ nicht locker,

War vernarrt in die spröde Schönheit:

Ob sie aufrecht stand oder auf einem Hocker,

Wenn er sie sah, verschwand all sein Leid.

 

Er selbst hatte viele Mitstudenten,

Mit denen er sich oft und gerne traf,

Um das Geistreiche tiefer anzuwenden,

Den er war arm und erzogen sehr brav.

 

Es ging ihm deshalb darum viel zu lernen

Und er nutzte dazu seine Studienzeit:

Wenn andere sich immer wieder entfernen,

War er zum Durchdringen und Lesen bereit.

 

Von daher schlug plötzlich die Liebe ein,

Als wär’ er von einem Blitze getroffen:

Jetzt konnte er nicht mehr gefühlsfrei sein

Und musste sich alles von ihr erhoffen.

 

Spröde, wie sie war, ließ sie ihn zappeln,

Eigentlich wusste sie nicht, was sie wollte.

Davon konnte er sich nur mühsam berappeln,

Indem er sich weiterhin viele Bücher holte.

 

Schließlich gab sie doch nach, sie wurden ein Paar,

Doch gefühlsmäßig blieb alles in Schwebe:

War sie nicht so schön und er wunderbar,

Damit man die Liebe auch lebe?

 

Die Kinder kamen und der berufliche Erfolg,

Der Aufstieg hatte für BEIDE begonnen.

Sie entfernten sich von ablehnendem Volk

Und haben ihren Beruf ernst genommen.

 

Doch auch nach Glücksjahren spürte er mehr,

Das seine Zuneigung sie kaum noch erreichte:

Gewohnheit und Tagesablauf drückten zu sehr,

Dass Zärtlichkeit sie überhaupt noch erweichte.

 

Er spürte, dass sie nicht mehr glücklich war,

Keine seiner Hände mehr halten wollte:

Sie wurde ihm fremd, ward sonderbar,

Weil sie ihm keine Nähe mehr zollte.

 

Begann er zu essen, verließ sie den Raum,

Sie konnte ihn nicht mehr ertragen.

Immer stärker keimte bei ihr ein Jugendtraum,

Deshalb musste sie Neues wagen.

 

Der Mann sollte groß sein, drahtig und schlank

Dieses Bildnis hat sie immer in sich getragen

Und den fand sie doch noch Gottseidank,

Ihr Herz wusste ihm Liebes zu sagen.

 

Tatsächlich verliebte sie sich ganz neu,

Als ihr Mann glaubte, sie würde ihn noch lieben,

Während von ihr längst abfiel jegliche Scheu,

Denn die Leidenschaft folgte den Trieben.

 

Was soll das, was kann denn noch sein,

Wenn der Traum sprengt alle Lebensbande?

So blieb er zurück, im Alter traurig, allein,

Während sie sich dem Schlanken zuwandte.

 

 

©Hans Hartmut Karg

2022

 

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